4. März 2021
Central Tibetan Administration, www.tibet.net, Radio Free Asia, www.rfa.org, Free Tibet, www.freetibet.org

Tibetischer Gefangener in „sehr ernstem“ Gesundheitszustand ein Jahr früher entlassen

Die chinesischen Behörden haben einen tibetischen politischen Gefangenen, der eine 10jährige Haftstrafe verbüßte, in kritischem Gesundheitszustand vorzeitig entlassen.

Der etwa 30jährige Gangbu Rikgye Nyima wurde am 25. Februar aus dem Gefängnis im Landkreis Drango (chin. Luhuo) in der Präfektur Kardze (chin. Ganzi), Provinz Sichuan, entlassen. Nach Angaben von Radio Free Asia (RFA) wurde er ein Jahr vor Beendigung seiner Haftstrafe freigelassen.

Im Jahr 2012 protestierten die Tibeter in den Landkreisen Drango und Serthar (chin. Seda) während des tibetischen Neujahrsfestes friedlich gegen die chinesische Herrschaft. Auf ihren Protest hin wurde Gangbu Rikgye Nyima verhaftet und später wegen „Beeinträchtigung der sozialen Stabilität“ und „Anstiftung zum Separatismus“ zu zehn Jahren Haft verurteilt. Etwa zehn weitere Personen, darunter zwei Mönche des Klosters Drango, Tashi Dhargyal und Namgyal, wurden Berichten zufolge zu Haftstrafen zwischen 12 und 14 Jahren verurteilt (1).

Gangbu Rikgye Nyima

Laut RFA haben Nyima und seine Mitgefangenen, die mit ihm zusammen 2012 verhaftet wurden, wiederholt gegen die unmenschliche Behandlung im Gefängnis protestiert und wurden von den Gefängniswärtern viele Male gefoltert. Die Wärter sperrten ihn auch mehrfach in eine dunkle Zelle ein. Infolgedessen leidet Nyima unter ständigen Kopfschmerzen und geschwächtem Sehvermögen. Die Folterungen, die er in den neun Jahren im Gefängnis erlitten hat, haben auch seiner mentalen Gesundheit zugesetzt, und „seine Lunge und seine Wirbelsäule sind ebenfalls in einem schlechten Zustand“. Nyimas Lage ist sehr ernst.

Nyima, der vor seiner Verhaftung Angestellter in einem Wasserkraftwerk im Bezirk Drango war, wurde von der chinesischen Regierung offiziell zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt, aber ein Jahr vor dem Ende seiner Haftstrafe entlassen. Die Gefängnisaufsicht ließ ihn nach der Freilassung direkt aus dem Gefängnis nach Hause bringen, denn man hatte seinen Familienmitgliedern verboten, ihn aus dem Gefängnis abzuholen.

Nach seiner Freilassung gab Nyima eine Erklärung ab, die dem tibetischen Dienst von RFA zuging: „Solange ich lebe, werde ich niemals vergessen, wie die chinesische Regierung mich unter falschen Anschuldigungen hinter Gitter gesetzt und mißhandelt und mir all meine Rechte genommen hat“.

„Vergeßt nie, was es heißt, Tibeter zu sein“, sagte er und fügte hinzu: „Bleibt immer geeint. Laßt euch nicht entmutigen. Lernt fleißig und bewahrt eure Sprache und Religion. Irgendwann müssen wir alle von dieser Unterdrückung befreit werden.“

Um sich der Verantwortung zu entziehen, lassen die chinesischen Behörden tibetische politische Gefangene oft vorzeitig frei, wenn sie dem Tode nahe sind. Im vergangenen Jahr starben mindestens sieben tibetische politische Gefangene entweder im Gefängnis oder nach ihrer Freilassung an den folterbedingten Verletzungen, die ihnen im Gefängnis zugefügt worden waren. Bereits in diesem Jahr wurden zwei Fälle von Tod durch Folter bekannt. Im Januar starb Tenzin Nyima, ein jugendlicher Mönch aus Dza Wonpo, nachdem er von den chinesischen Behörden wegen Protesten für die Unabhängigkeit schwer verprügelt worden war. Im Februar starb Kunchok Jinpa, der eine 21jährige Haftstrafe verbüßte, nachdem es aufgrund von Folter im Gefängnis bei ihm zu einer Hirnblutung und Lähmungen gekommen war. Er hatte Informationen über die Situation in seinem Heimatkreis Driru an ausländische Medien weitergegeben.

Eine lokale Quelle berichtete, was Nyima, als er zu Hause ankam, zu seinen Angehörigen und Freunden sagte: „Ich bin nicht mehr derselbe Junge, der ich früher war und mein Gedächtnis hat sehr nachgelassen. Ich kann euch versichern, daß ich immer noch der verantwortungsbewußte Tibeter bin, der ich zu sein pflegte, und diese Verantwortung werde ich nie vergessen, und müßte ich auch durch die Hölle wandern. Ihr solltet nie den Gedanken aufgeben, daß ihr Tibeter seid“.

(1) 30. April 2012, Harte Strafen für tibetische Demonstranten aus Drango, einmal sogar lebenslänglich, http://www.igfm-muenchen.de/tibet/RFA/2012/Drangolebenslang_30.4.html